ADHS
Synonym: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, hyperkinetisches Syndrom (HKS), psychoorganisches Syndrom (POS), Zappelphilipp-Syndrom
Ob es sich bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) um eine Krankheit oder um eine nicht krankhafte individuelle Besonderheit handelt, ist umstritten. Kinder- und Jugendpsychiater verstehen darunter eine psychische Störung, die meist in den ersten Schuljahren erstmals auffällt und durch Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsdefizit), übermässige körperliche Unruhe (Hyperaktivität) und Sprunghaftigkeit (Impulsivität) gekennzeichnet ist. Die Angaben zur Häufigkeit des ADHS weichen stark voneinander ab, je nachdem wie eng die gewählten Kriterien sind. Den strengsten Kriterien zufolge ist mindestens jedes 100. Kind betroffen, nach den am weitesten gefassten Kriterien höchstens jedes 14. Kind.
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Symptome
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Übersieht Ihr Kind oft wichtige Details und macht viele Flüchtigkeitsfehler?Zappelt es häufig mit Händen und Füssen, rutscht unruhig auf dem Stuhl herum?Kann es nur schwer warten, bis es an der Reihe ist?
Diese drei Fragen sind nur eine kleine Auswahl aus dem Fragenkatalog zur Abklärung von ADHS anhand der drei diagnostischen Merkmale Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Weitere Kriterien müssen für die ADHS-Diagnose erfüllt sein, etwa dass ein die beobachteten Auffälligkeiten seit mindestens sechs Monaten bestehen und Einschränkungen in mehreren Lebensbereichen zur Folge haben, beispielsweise in der Schule und zu Hause. Menschen mit ADHS haben auch besondere Stärken: So sind sie meist sehr intelligent und kreativ, humorvoll, hilfsbereit und haben eine blühende Fantasie.
ADS, die stille Variante
Bei der Variante der Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS), auch als «stille ADHS» bezeichnet, liegen nur Unaufmerksamkeit und Impulsivität vor, aber keine Hyperaktivität. Die Betroffenen werden von der Aussenwelt als verträumt und verlangsamt wahrgenommen.
Diagnose nur durch Fachleute
Menschen sind sehr unterschiedlich, und es gibt keine scharfe Grenze zwischen normalem und auffälligem Verhalten. In verschiedenen Zeitepochen galten unterschiedliche Massstäbe, an denen gemessen wurde, was normal ist. Auch in unterschiedlichen Kulturen kann ein und dasselbe Verhalten entweder als krankhaft oder als völlig normal bewertet werden. Die Diagnose ADHS kann erst nach eingehender ärztlicher Untersuchung erfolgen, möglichst durch einen Kinder- und Jugendpsychiater. Das braucht reichlich Erfahrung und die Bereitschaft, sich vorbehaltlos und ohne Zeitdruck mit dem Betroffenen zu befassen.
Behandlung nur bei Leidensdruck
Nur wenn jemand so sehr unter seinen persönlichen Eigenarten oder deren Folgen leidet, dass er eine Veränderung wünscht, ist eine Behandlung angezeigt. Dass ein Kind oder ein Jugendlicher in seinem Verhalten weniger angepasst ist oder seine schulischen Leistungen schlechter sind, als Eltern und Lehrer von ihm erwarten, ist allein kein Grund, therapeutisch einzugreifen.
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Behandlung
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Zunächst klärt der behandelnde Psychologe oder Arzt im Gespräch mit dem betroffenen Kind oder Jugendlichen und dessen Eltern, welche Ziele durch die Behandlung erreicht werden sollen. Individuelle Therapieziele können beispielsweise sein, das Selbstwertgefühl des Betroffenen zu stärken, ihm Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, sein Körpergefühl zu verfeinern, sich Fähigkeiten anzueignen, die das Zusammensein mit seinen Mitmenschen, etwa in der Familie oder in der Schulklasse, für ihn selbst und die anderen angenehmer machen. Die Kernsymptome von ADHS, Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, eventuelle Begleitsymptome wie Depressivität oder Ängstlichkeit und der mit den Symptomen verbundene Leidensdruck können bei verschiedenen Betroffenen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Daher können auch individuell sehr unterschiedliche Behandlungsansätze in Frage kommen.
Sich aussprechen, gute Bedingungen schaffen, üben
In psychotherapeutischen Gesprächen mit dem Betroffenen und dessen Eltern werden ungünstige Verhaltens- und Denkmuster in der Familie erkannt und durch geeignete Übungen überwunden. In manchen Fällen ist dafür eine Familientherapie am besten geeignet. Auch wenn die Eltern offene und unbewusste Konflikte im Rahmen einer Paar- oder Einzeltherapie lösen, kann das in manchen Fällen das Kind erheblich entlasten und damit die ADHS lindern. Im Elterntraining werden Erziehungsziele definiert und ein wertschätzender und gleichzeitig klarer und konsequenter Umgang mit dem eigenen Kind geübt. Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Elternberatung und -training ist es, die Bedingungen, unter denen das Kind wohnt und lernt, zu überdenken und so an die Bedürfnisse des Kindes anzupassen, dass es sich besser konzentrieren kann und weniger stark abgelenkt ist. Dazu gehört auch, dass man sich mit dem Kind oder Jugendlichen auf bestimmte Regelungen einigt, etwa was den Computer- und Fernsehkonsum betrifft. Konzentrationsübungen und Übungen des aufmerksamen, nicht bewertenden Wahrnehmens, kurz als Mindfulness bezeichnet, sind oft ein weiterer zentraler Bestandteil der Behandlung. Im Rahmen von Meditation, Yoga oder asiatischen Kampfsportarten können ebenfalls Aufmerksamkeit, Körperbewusstsein und Entspannung geübt werden. Auch von bestimmten Sportarten, die eine hohe Präsenz, vorausschauende Aufmerksamkeit und Sorgfalt erfordern, wie Klettern oder Reiten, scheinen manche Betroffene erheblich zu profitieren. Es hängt letztlich stark von den Neigungen des Betroffenen ab, zu welcher Art Übungen er am schnellsten einen Zugang findet. Sich länger auf etwas zu konzentrieren, fällt eben viel leichter, wenn es Spass macht, und viele ADHS-Betroffene sind ausserordentlich begeisterungsfähig. Weitere Behandlungskomponenten, die je nach Problemstellung und Neigung des Betroffenen in Frage kommen:
- Ergotherapie
- Heilpädagogik
- Musiktherapie
- Kunsttherapie
- Tanztherapie
- Körpertherapie
- Neurofeedback, eine Form des Biofeedback
Der Kontakt mit anderen Betroffenen oder deren Eltern im Rahmen einer Selbsthilfegruppe kann dabei helfen, sich mit der Problematik ADHS nicht allein gelassen zu fühlen, indem man Erfahrungen und Tipps austauscht.
Medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien
Wenn die oben genannten Massnahmen innerhalb von mehreren Monaten keine befriedigende Besserung der Symptome bewirken und der Betroffene nach wie vor unter ADHS und ihren Folgen erheblich leidet, kann vom behandelnden Arzt eine begleitende Therapie mit dem Amphetaminabkömmling Methylphenidat oder mit dem Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin in Erwägung gezogen werden. Wenn diese Medikamente nicht ausreichend wirken, kann auch eine Behandlung mit Lisdexamphetamin in Frage kommen. Methylphenidat und Lisdexamphetamin gelten formal als Betäubungsmittel und unterliegen damit einer strengen Verordnungspflicht. Auch Atomoxetin ist verschreibungspflichtig. Diese als Stimulanzien bezeichneten Medikamente bedürfen der sorgfältigen Indikationsstellung und Aufklärung über mögliche Risiken und Nebenwirkungen. Die Verordnung und Therapiekontrolle sollte daher möglichst durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie erfolgen.
Ernährung und Nahrungsergänzung
Ob bestimmte Nahrungsmittel oder deren Inhaltsstoffe einen Einfluss auf ADHS haben, ist unklar. Hinweise, dass synthetische Zusatzstoffe in Süsswaren und Fertignahrungsmitteln das ADHS-Risiko erhöhen, bedürfen der Überprüfung in geeigneten Studien. Möglicherweise kann die reichliche Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren, wie sie vor allem in fettem Seefisch und in dem daraus gewonnenen Fischöl vorkommen, sowie von bestimmten Omega-6-Fettsäuren, etwa aus Borretschöl oder Nachtkerzenöl, ADHS vorbeugen und ADHS-Symptome lindern. Ähnliches gilt für die ausreichende Versorgung mit Zink, Eisen und Magnesium. Hinweise auf die Wirksamkeit von Pinienrindenextrakt bedürfen der weiteren wissenschaftlichen Überprüfung.
Tipp: Nicht nur was, sondern auch wie man isst, hat einen Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden. Kinder, die sich schwer auf eine Sache konzentrieren können, profitieren von regelmässigen Essenszeiten, Mahlzeiten in gewohnter Runde, in Ruhe und ohne Zeitdruck sowie mit einem Tischritual, wie einem Gebet oder Lied, zu Beginn. Vermeiden Sie Fast Food und das Nebenherfuttern von Chips oder Süssigkeiten abends vor dem Fernseher und gehen Sie dabei mit gutem Beispiel voran. -
Verlauf, Komplikationen, Besonderheiten
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Die ersten Symptome von ADHS treten bereits im Kleinkindalter auf. Da die Zuverlässigkeit der diagnostischen Kriterien aber überwiegend bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 16 Jahren überprüft wurde, ist bei jüngeren Kindern eine sichere Diagnosestellung in der Regel nicht möglich. Bei jüngeren Kindern mit entsprechenden Auffälligkeiten spricht man daher meistens von einem ADHS-Verdacht. Bei zwei bis sechs von zehn Kindern endet die ADHS spätestens mit der Pubertät. Mit zunehmendem Alter geht die Hyperaktivität bei den meisten Betroffenen zurück; bei Jugendlichen mit ADHS stehen in der Regel Unaufmerksamkeit und Impulsivität im Vordergrund. Häufig ist dabei eine erhöhte Risikobereitschaft, in manchen Fällen aggressive Verhaltensweisen und eine Neigung zu suchtartigem Konsum von Alkohol, Nikotin, illegalen Drogen oder Internet und Computerspielen.
ADHS bei Erwachsenen
Wie häufig eine jugendliche ADHS bis ins Erwachsenenalter anhält, ist unklar. Die Angaben schwanken, je nach Studie und den darin verwendeten Kriterien, zwischen minimal 1 von 20 und maximal 2 von 3 der im Jugendalter Betroffenen. Auch ADHS im Erwachsenenalter ist durch die drei genannten Hauptsymptome geprägt, allerdings äussern sich diese etwas anders als bei Kindern und Jugendlichen. Die Aufmerksamkeitsstörung kann sich beispielsweise dadurch zeigen, dass der Betroffene Schwierigkeiten hat, einem Gespräch oder der komplexen Handlung eines Films zu folgen. Hyperaktivität kann sich in innerer Unruhe äussern oder in der Unfähigkeit, sich zu entspannen. Impulsivität im Erwachsenenalter geht häufig mit Ungeduld einher und mit der Neigung, anderen ins Wort zu fallen.
Risiko und Chance
Bei Menschen mit ADHS kommen andere psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen häufiger vor als in der Normalbevölkerung. Manche Kinder mit ADHS fallen durch provozierende, dauernd verweigernde oder aggressive Verhaltensweisen auf. Auch das Risiko von Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen ist erhöht. Menschen mit Zwangsstörungen haben häufig auch ADHS.
Menschen mit einer unbehandelten ADHS haben ein erhöhtes Risiko, in Schule, Ausbildung und Beruf zu versagen, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, einen Verkehrsunfall zu verursachen oder straffällig zu werden. Andererseits haben diese Menschen aufgrund ihrer Intelligenz, ihrer Kreativität, ihrer Begeisterungsfähigkeit und ihrem Pioniergeist auch ein besonderes Potenzial. Von berühmten Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Thomas Alva Edison und Wolfgang Amadeus Mozart werden Auffälligkeiten berichtet, die man heute möglicherweise als ADHS-Symptome deuten würde.
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Ursachen, Risikofaktoren und Häufigkeit
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Psychische Auffälligkeiten wie ADHS entstehen in der komplexen Wechselwirkung biologischer, seelischer und gesellschaftlicher Faktoren. Es sind also nie allein die Gene und auch nie allein die Umwelt, Erziehung oder Ernährung, die ADHS hervorrufen und deren Schwere bestimmen. Menschen, bei denen ein Elternteil von ADHS betroffen ist, haben selbst ein erhöhtes ADHS-Risiko. Eine Depression der Mutter während der Schwangerschaft oder danach, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie ein niedriges Geburtsgewicht gehen ebenfalls mit einem erhöhten ADHS-Risiko einher.
Wechselspiel zwischen Gehirn und Umwelt
Genetische Faktoren, die bei ADHS-Betroffenen häufiger vorkommen als bei Menschen ohne ADHS, betreffen unter anderem den Gehirnbotenstoff (Neurotransmitter) Dopamin und dessen Wirkungsweise in Gehirnzentren, die mit dem Belohnungssystem und mit der Koordination von Muskelbewegungen zu tun haben (dopaminerges System). Gehirnforscher haben festgestellt, dass bestimmte Filterleistungen des Gehirns, die notwendig sind, um bedeutsame von unwichtigen Reizen zu unterscheiden, bei ADHS-Betroffenen vermindert aktiv sind. Zentren im Stirnlappen des Gehirns, die für die Steuerung des Verhaltens und das Eindämmen spontaner, unerwünschter Verhaltensimpulse zuständig sind, sind bei Menschen mit ADHS weniger stark ausgeprägt und weniger aktiv als bei anderen. Diese biologischen Gegebenheiten verändern sich wiederum ständig, und zwar in Antwort auf die Umwelt. Inzwischen weiss man, dass Ausstattung und Funktionsweise des Gehirns vor allem durch dessen Verwendung gesteuert werden (Neuroplastizität). Das trifft auf alle Lebensphasen zu, besonders formbar ist das Gehirn aber in den frühesten Phasen seiner Entwicklung – im Mutterleib und im Kleinkindalter.
Mehr Knaben als Mädchen betroffen?
Im Kindesalter wird die Diagnose ADHS etwa doppelt bis dreimal so häufig bei Jungen gestellt als bei Mädchen. Dass Mädchen häufiger von der stillen Form, ADS, betroffen sind als Knaben und dieses leichter übersehen wird, könnte zu diesem Ungleichgewicht beitragen. Etwa zwei Drittel der Erwachsenen mit ADHS-Diagnose sind Männer.
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Vorbeugung
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Frauen, die während der Schwangerschaft auf Nikotin, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie weitgehend auf Alkohol verzichten, senken damit das ADHS-Risiko ihres Kindes. Wenn Schwangere und Stillende sich mit der Nahrung oder in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ausreichend langkettige Omega-3-Fettsäuren zuführen, tragen sie damit vermutlich ebenfalls zur Vorbeugung einer kindlichen ADHS bei.
Welche psychologischen und gesellschaftlichen Faktoren ADHS vorbeugen können, ist weitgehend ungeklärt. Ausreichende Zuwendung, eine vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung und ein konsequenter, klarer Erziehungsstil scheinen einen gewissen Schutz zu bieten. Empfohlen wird zudem, Reizüberflutung – etwa durch übermässigen Fernsehkonsum und Computerspiele – zu vermeiden und Betätigungen zu fördern, die Selbstbewusstsein, Körperwahrnehmung, Einfühlungsvermögen und den Umgang mit Konflikten schulen. Alle in den Abschnitten «Behandlung» empfohlenen nicht-medikamentösen Massnahmen sind wahrscheinlich auch zur Vorbeugung geeignet.
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TopPharm hilft!
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Wenden Sie sich an Ihren Gesundheits-Coach, wenn Sie für sich selbst oder Ihr Kind ein geeignetes Nahrungsergänzungspräparat zur Vorbeugung oder begleitenden Behandlung von ADHS suchen. Da Nahrungsergänzungsmittel wie Fischöl Schadstoffe enthalten können, ist dringend davon abzuraten, solche Präparate wahllos – etwa übers Internet – zu beziehen.
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Wirkstoffe
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Stimulanzien
Nahrungsergänzungsmittel