Herr Schmid, die Natur drückt in den Wintermonaten auf die «Pausetaste» und erwacht dann im Frühling wieder zu neuem Leben. Wie wirkt sich dieser Wechsel auf den menschlichen Organismus aus?
Im Frühling und im Herbst ändern sich die Tageslängen am schnellsten. Es ist dann plötzlich länger hell. Damit verbunden wird es zunehmend wieder wärmer und die Natur lädt geradezu ein, draussen im Freien Zeit zu verbringen und körperlich aktiv zu sein. Unser Körper spürt aber noch die Nachwirkungen des Winters. Kälte und Dunkelheit haben während der vergangenen Monate an den Reserven unseres Körpers gezehrt. Dunkelheit fördert die körpereigene Produktion des Hormons Melatonin im Körper. Abends werden wir dadurch rascher müde. Zudem regelt das Melatonin unter anderem unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Im Frühling steigert sich durch die vermehrte Aufnahme von Sonnenlicht der Spiegel von Tagesrhythmus-regulierendem Serotonin. Das Hormon wirkt anregend oder belebend und ist wichtig für Glücksgefühle sowie soziale Interaktionen. Unser Körper ist aber noch immer im «Wintermodus», Sport beispielsweise kann dann anstrengend sein, da die innere Energie noch nicht so schnell mobilisiert werden kann. Der Organismus ist gewissermassen noch auf «Sparen» eingestellt. Zudem braucht er eine gewisse Zeit, um das neue Hormongleichgewicht wiederzufinden; also den veränderten Rhythmus von Melatonin und Serotonin neu einzustellen. Auch im Herz-Kreislauf-System sind Änderungen zu beobachten. Bei Kälte ziehen sich Gefässe zusammen und die Körperspannung steigt, was subjektiv wahrgenommen zu einem Wachheitsgefühl führt. Wärme hingegen bewirkt das Gegenteil: Der Blutdruck fällt und es können Schwindelgefühle und Müdigkeit entstehen, wenn man sich zu wenig bewegt.
Eisenmangel hat ebenfalls eine Auswirkung auf den Energiehaushalt. Wie kann die Frühjahrsmüdigkeit von einem potenziellen Eisenmangel unterschieden werden?
Eisen im Blut ist für den Sauerstofftransport von der Lunge in den Körper verantwortlich. Einfach ausgedrückt werden durch das Eisen Nährstoffe in den Körperzellen verbrannt und Energie freigesetzt, die der Körper nutzen kann. Die Symptome von Eisenmangel und Frühjahrsmüdigkeit wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsmangel und Antriebsschwäche können einander ähnlich sein. Klarheit bringt eine Eisenmessung. Diese wird auch von einigen TopPharm Apotheken angeboten. Gemessen wird das Ferritin im Blut mittels Blutentnahme und anschliessender Auswertung in einem medizinischen Labor.
Was empfehlen Sie als Apotheker Ihren KundInnen generell bei Frühjahrsmüdigkeit?
Ich empfehle, auf eine ausreichende Versorgung des Körpers mit den wichtigsten Vitaminen und Nährstoffen zu achten. Damit werden optimale Voraussetzungen geschaffen, sodass der Körper wieder richtig «durchstarten» kann. Vitamin-B-Kombinationspräparate und insbesondere Vitamin B12 finde ich sehr wichtig, da die B-Vitamine für das Nervensystem, also für mentale Leistung, essenziell sind. Geeignet sind zudem auch Vitamin-B-Präparate kombiniert mit Eisen oder generell Vitamin-Kombinationspräparate. Es ist sinnvoll, diese ergänzend mit Aminosäuren-Nahrungsergänzungsmitteln einzunehmen. Im Spezifischen ist L-Tryptophan gut, weil es vom Körper gebraucht wird, um Serotonin zu bilden. Will man die Geschmacksnerven zusätzlich ansprechen, sind Frucht- und Gemüsesäfte ideal.
Welche Wirkstoffe aus dem Bereich Komplementärmedizin können ebenfalls bei Frühjahrsmüdigkeit eingesetzt werden?
Bei Frühjahrsmüdigkeit aufgrund von Kreislaufschwäche kann Weissdorn hilfreich sein. Auch Pflanzen, welche den Stoffwechsel und speziell die Leber anregen, sind besonders geeignet – zum Beispiel Löwenzahn. Brennnessel regt die Nieren an und eignet sich in Kombination mit Bärlauch. Die Pflanzen wirken entgiftend und aktivierend, womit «neue Energie» für den Frühling entsteht.
Wie kann man der Frühjahrsmüdigkeit auch noch entgegenwirken?
Besonders sollte auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Obst und Gemüse sowie auch Kohlenhydraten geachtet werden. Die Mahlzeiten sollten nicht zu schwer verdaulich sein. Fettreiche Mahlzeiten machen zum Beispiel eher müde. Aktivierend wirkt zudem, Zeit im Freien und in der Natur zu verbringen. So kann sich der Körper durch das natürliche Licht auf den neuen Rhythmus einstellen. Sport beziehungsweise regelmässige Bewegung kann ich auch empfehlen. Es ist jedoch wichtig, seinen Trainingsplan realistisch zu gestalten, um sich nicht zu überfordern und das Training langsam zu steigern. So hat man längerfristig mehr Erfolg.