Viele Erwachsene kennen es: Nach dem Haarewaschen nur kurz kämmen und schon hält man nicht nur den Kamm, sondern auch gleich noch einen kleinen Haufen Haare mit in der Hand. Dass Kopfhaare ausfallen, ist jedoch normal und kein Grund zur Sorge. Pro Tag verlieren wir rund 100 Haare, die gewöhnlich auch wieder nachwachsen. Gehen allerdings über eine längere Zeit mehr Haare verloren als nachwachsen, so spricht man von Haarausfall. Führt Haarausfall zu lichten oder gar kahlen Stellen, wird dies als Alopezie – als Haarlosigkeit – bezeichnet.
Eine der häufigsten Formen ist die androgenetische Alopezie. «Androgenetisch» setzt sich aus zwei Begriffen zusammen: «Andro» steht für männlich und «genetisch» bezieht sich auf das Erbgut, welches zur Veranlagung zum Haarausfall beiträgt.
Wenn das Zusammenspiel von Hormonen und Haarwurzeln zum Haarausfall führt
Die androgenetische Alopezie ist eine Folge des noch nicht komplett erforschten Zusammenspiels zwischen Hormonen und Haarwurzeln: Das männliche Geschlechtshormon Dihydrotestosteron ist ein Stoffwechselprodukt von Testosteron. Bei der androgenetischen Alopezie reagieren die Haarwurzeln überempfindlich auf das Hormon. Das führt dazu, dass die Haarwurzeln weniger häufig neue Haare hervorbringen und schrumpfen. Neue Haare werden dünner und kleiner. Mit der Zeit können die Haarwurzeln an bestimmten Stellen ganz absterben. Diese Überempfindlichkeit wird vererbt – Forschende haben verschiedene Gene ausfindig machen können, die damit im Zusammenhang stehen.
Dihydrotestosteron wird übrigens in kleinen Mengen auch im weiblichen Körper gebildet. Von der androgenetischen Alopezie sind daher nicht nur Männer, sondern auch Frauen betroffen, wobei sie aber bei Männern deutlich häufiger vorkommt. In der Schweiz trifft es im Laufe des Lebens rund jeden zweiten Mann. Androgenetische Alopezie bei Männern wird nicht als Krankheit im medizinischen Sinne definiert.
Bei betroffenen Männern können erste Anzeichen bereits nach der Pubertät auftreten und noch vor dem 40. Lebensjahr ist oft ein deutliches Zurücktreten der Stirn-Haar-Grenze sichtbar. Der Verlauf ist sehr individuell, folgt in der Regel aber einem bestimmten Muster: In einem zweiten Schritt fällt allmählich das Haar um den Haarwirbel aus, sodass noch ein Haarkranz übrigbleibt. In fortgeschrittenem Stadium kann es schliesslich zur vollständigen Glatze kommen.
Der Haarverlust kann belastend sein – besonders für Frauen
Anders sieht es bei betroffenen Frauen aus: Die Haare gehen bei Frauen vor allem entlang des Mittelscheitels verloren. In schweren Fällen führt dies zu kahlen Stellen im Scheitel- und Stirnbereich. Bei Frauen wird die androgenetische Alopezie – anders als bei Männern – als Krankheit definiert. Rund jede fünfte Frau ist davon betroffen. Insbesondere häuft sich die Krankheit nach den Wechseljahren: Zahlen zeigen, dass ab dem 65. Lebensjahr bis zu 75 % daran erkranken. Aber nicht nur das Alter, sondern auch Krankheiten wie das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) oder die Einnahme bestimmter Medikamente, beispielsweise bei Knochenschwund, können die androgenetische Alopezie bei Frauen begünstigen.
Aufgrund der gängigen Schönheitsideale kann die androgenetische Alopezie belastend sein, besonders für Frauen. Hinzu kommt: Die Krankheit lässt sich nicht heilen. Allerdings ist es mit passenden Massnahmen möglich, den Haarverlust zumindest teilweise aufzuhalten. Bei der Wahl der Therapie lohnt es sich, kritisch zu sein: Viele Shampoos, Tinkturen und Kosmetikartikel bringen nicht den gewünschten Erfolg. Besser, man lässt sich von einer Fachperson über mögliche Therapien beraten.
Eine frühe Behandlung lohnt sich
Um die androgenetischen Alopezie zu behandeln, können verschiedene Arzneimittel zum Einsatz kommen. Zum Beispiel Lösungen, die direkt auf die Kopfhaut gegeben werden. Zudem können Tabletten zum Einnehmen verordnet werden, falls angezeigt. Unterdessen gibt es auch verschiedene pflanzliche Präparate. Und bei ausgeprägtem Haarverlust kann bei Männern unter Umständen eine Haartransplantation mit Eigenhaar eine Möglichkeit sein, was jedoch fachärztlich abgeklärt und begleitet werden sollte. Bei betroffenen Frauen ist zudem oft eine gynäkologische Abklärung notwendig.
So oder so gilt: Je früher Massnahmen getroffen werden, desto besser. Denn sind die Haarwurzeln einmal abgestorben, kann der Haarverlust nicht wieder rückgängig gemacht werden.