Tiere sind wahre Seelentröster, und sie können uns positiv beeinflussen. Das lässt sich auch therapeutisch nutzen – zum Beispiel im Rahmen der Tiergestützten Therapie.

Im Tiergarten des REHAB Basel ist Therapieschaf Isidor konzentriert bei der Arbeit. Motiviert geht er immer wieder durch die beiden Hula-Hoop-Reifen hindurch, die ihm der junge Patient im Rollstuhl hinhält. Dazwischen erhält Isidor von ihm jeweils ein Stückchen trockenes Brot zur Belohnung. Dazu muss der Teenager jeweils seine Hand öffnen und dem Schaf flach hinhalten. Dadurch trainiert er ganz nebenbei die Bewegungsfähigkeit seiner Hand, welche durch eine angeborene Krankheit beeinträchtigt ist. «Oftmals merken die Patientinnen und Patienten bei der Tiergestützten Therapie gar nicht, dass sie gerade einen Bewegungsablauf oder etwa das Sprechen trainieren, weil der Fokus dann komplett auf das Tier gerichtet ist», erklärt Gisela van der Weijden, Leiterin Tiergestützte Therapie im REHAB Basel.

Tiere als «Türöffner»

Institutionen im Gesundheitsbereich, aber auch pädagogische und pflegerische Einrichtungen setzen je länger je mehr auf die «animal assisted therapy» (AAT), wie die Tiergestützte Therapie offiziell genannt wird. Sie baut jeweils auf einer Therapieform wie etwa der Physio-, Ergo-, Logo- oder Psychotherapie auf, kommt aber auch in der Pädagogik sowie der Sozialarbeit zum Einsatz. Mit der Idee dahinter, die Tiere als «Türöffner» oder «Eisbrecher» einzusetzen, um so den therapeutischen Prozess zu unterstützen. Besonders geeignet ist die Tiergestützte Therapie für Menschen mit Depressionen, Schlaganfallbetroffene mit Sprach- und/oder Bewegungsstörungen, Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, Personen mit motorischen und geistigen Defiziten, Alzheimerpatientinnen und -patienten sowie Suchtkranke.

««Die einzelnen Handlungen im Zusammenhang mit den Tieren ergeben einen Sinn und sind nicht einfach ‹trockene Übungen›. Darin sehe ich den Hauptgewinn der Tiergestützten Therapie.»
Gisela van der Weijden

Im REHAB Basel werden nebst Schafen, Katzen und Hühnern auch Pferde, Esel, Ziegen, Hunde, Minipigs, Kaninchen und Meerschweinchen für die Tiergestützte Therapie im Rahmen der stationären Behandlung und für die Rehabilitation eingesetzt. Um für die Patientinnen das ideale Therapietier auszusuchen, machen die Therapeuten – wenn immer es der gesundheitliche Zustand zulässt – jeweils als Erstes mit den Patientinnen und Patienten einen Spaziergang durch den Tiergarten und schauen dabei, auf welches Tier diese am ehesten ansprechen. Ergänzend dazu werden auch Faktoren wie etwa Allergien, Ängste und religiöse Ansichten sowie die motorischen Fähigkeiten berücksichtigt. Zudem sollte das ausgewählte Tier mit seinen Eigenschaften immer auch zu den individuellen Therapiezielen der Patientinnen und Patienten passen. «Schafe beispielsweise
sind sehr harmonische Wesen und eignen sich besonders gut, um Gang- und Standsicherheit, aber auch die Koordinationsfähigkeit zu trainieren, während sich Pferde besonders anbieten, wenn die feinmotorischen Fähigkeiten noch nicht ausreichend vorhanden sind», erläutert Gisela van der Weijden. Zudem vermitteln die Pferde den Patientinnen und Patienten Sicherheit; sie können sich auf den Pferden aufstützen oder sich in grossen Bewegungen üben.

«Tiergestützte Therapie ist viel mehr als nur Meerschweinchen füttern»

Die Tiergestützte Therapie beinhaltet jedoch nicht nur die Arbeit am Tier, sondern auch alles rund ums Tier. So bereiten im REHAB Basel Patientinnen und Patienten im Rahmen der Therapie auch mal das Futter für die Tiere zu, indem sie beispielsweise Rüebli klein schneiden oder sie füllen Heuraufen auf und helfen dabei, Tierkot mit den entsprechenden Hilfsmitteln zu beseitigen. Sogar das anschliessende Reinigen der Kleidung von Tierhaaren kann in die Therapieeinheit miteingebaut werden. «Die einzelnen Handlungen im Zusammenhang mit den Tieren ergeben für die Patientinnen und Patienten einen Sinn und sind nicht einfach ‹trockene Übungen›. Darin sehe ich den Hauptgewinn der Tiergestützten Therapie», so van der Weijden. Entsprechend ist für sie die Tiergestützte Therapie «viel mehr als nur Meerschweinchen füttern». Ergänzend zum Tiergarten gibt es im Klinikgebäude einen separaten Raum, in dem ebenfalls tiergestützte Therapieeinheiten durchgeführt werden können – zum Beispiel wenn ein Patient oder eine Patientin im Wachkoma liegt. «Erfahrungen zeigen, dass schon alleine die Anwesenheit von Tieren bei Betroffenen positive Effekte wie zum Beispiel ‹erste wache Momente› hervorrufen kann», erzählt van der Weijden.

Wissenschaftliche Studien konnten zudem nachweisen, dass bei nahem Kontakt mit einer Katze oder einem Hund – beispielsweise beim Streicheln – Glückshormone (Endorphine) ausgeschüttet werden. Dies dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass Patientinnen und Patienten bei der Tiergestützten Therapie oft mehr Emotionen zeigen als beispielsweise bei der herkömmlichen Physiotherapie. Dennoch ist die Tiergestützte Therapie längst nicht die einzige Therapieform, mit der dies gelingen kann: «Das Ventil, über welches wir eine
Patientin oder einen Patienten emotional erreichen können, ist bei jeder/jedem unterschiedlich: Während die einen besonders gut auf Tiere reagieren, sind es bei anderen beispielsweise Kunst, Musik oder Blumen», erläutert die Therapeutin.

Das Tierwohl wird grossgeschrieben

Damit die Tiergestützte Therapie funktionieren kann, braucht es gesunde, motivierte Tiere. Deshalb wird im REHAB Basel besonders grosser Wert auf das Tierwohl gelegt. Dafür arbeitet die Klinik unter Berücksichtigung tierethischer Grundsätze und verpflichtet sich, die Richtlinien der IAHAIO (führende globale Assoziation von Organisationen, die sich mit der Förderung des Gebietes der Mensch-Tier-Interaktion befassen) einzuhalten. Dementsprechend sorgen die Tierpflegerinnen und -pfleger dafür, dass sich die Tiere unter anderem frei bewegen können und genug Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten haben. Weiter bereiten sie die Tiere mittels eines spezifischen Trainings auf den Kontakt mit den Patientinnen und Patienten vor und achten darauf, dass die Tiere weder unter- noch überfordert werden. Während den Therapieeinheiten dürfen die Tiere zudem jeweils selber entscheiden, wann sie zum Patienten oder zu der Patientin hingehen möchten, aber auch, wann sie wieder gehen wollen. Denn sowohl der Mensch als auch das Tier müssen sich in der Situation wohlfühlen, damit die Therapie Erfolg haben kann.

REHAB Basel

Das REHAB Basel – Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie – ist eine hochspezialisierte Klinik für die Rehabilitation und Behandlung von Menschen mit einer Hirnverletzung und/oder Querschnittlähmung. Das REHAB verfügt über 100 Betten. Die Tagesklinik und das Ambulatorium runden das umfassende Angebot ab. 

Die Klinik wurde 1967 als Schweizerisches Paraplegikerzentrum vom Bürgerspital Basel gegründet. Unter der medizinischen Leitung von Dr. Guido A. Zäch von 1973–1989 entwickelte es sich zum nationalen Kompetenzzentrum für die Behandlung Querschnittgelähmter. 1990 übernahm Dr. Mark Mäder als Chefarzt die medizinische Leitung und erweiterte 1992 das Angebot um die Rehabilitation von Menschen mit einer Hirnverletzung. 1997 wurde die Klinik in die gemeinnützige REHAB Basel AG überführt. 2002 wurde das von den Architekten Herzog & de Meuron entworfene Klinikgebäude eröffnet und die neue Wachkomastation in Betrieb genommen. 2013 übernahm PD Dr. Margret Hund-Georgiadis die medizinische Leitung von Dr. Mark Mäder. 2017 erfolgte die Anerkennung der Intermediate Care Unit (IMCU) – schweizweit erstmalig für eine Reha-Klinik.