Im Winter häufen sich Erkrankungen der Atemwege – in vereinzelten Fällen hilft manchmal nur die Behandlung mit Antibiotika. Doch: Was sind eigentlich Antibiotika und wann braucht es sie?

Sarah* war erleichtert, als sie letzten Winter nach Tagen der Ungewissheit nicht nur eine Diagnose hatte, sondern auch eine gezielt wirkende Antibiotikatherapie verschrieben bekam. Gross war sie zwar, die Tablette. Und einen besonders guten Geschmack hinterliess sie auch nicht. Ihre Hausärztin informierte sie zudem detailliert über die möglichen Nebenwirkungen. Die junge Frau erhoffte sich, dass damit ihre Infektionskrankheit gezielt angegangen werden kann. Denn Sarah plagte schon seit mehreren Tagen das Fieber. Zudem war die Nase zu und der Oberkiefer schmerzte derart, dass sie kaum den Kopf vornüberbeugen konnte. Nur schon das Schuhebinden wurde zur Herausforderung. «Manchmal meinte ich, mein Kopf würde platzen», erzählt Sarah heute. Sie litt unter einer Infektion der Nasennebenhöhlen – einer sogenannten bakteriellen Sinusitis. (*Vollständiger Name der Redaktion bekannt)

Gemäss des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) wurden 2023 in der Schweiz mehr als 5,6 Mio. Packungen Antibiotika verkauft und pro Tag nahmen rund 95’200 Personen eine Dosis ein. Die häufigsten Krankheiten, bei denen Antibiotika verschrieben wurden, waren Harnwegsinfekte und Infektionen der oberen Atemwege – darunter fällt auch Sarahs bakterielle Sinusitis. Antibiotika scheinen also eine gängige Therapie zur Behandlung von Infektionen zu sein. Bloss: Was ist das eigentlich, ein Antibiotikum?

Antibiotika richten sich «gegen das Lebende»
Um dies zu verstehen, hilft es, bei der Bedeutung des Begriffs anzufangen: «Antibiotikum» ist zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern «anti», was so viel heisst wie «gegen», und «biotikos», was «zum Leben gehörend» bedeutet. Übrigens wird für die Einzahl die Endung «-um» verwendet und für die Mehrzahl die Endung «-a» – also ein einzelnes Antibiotikum und mehrere Antibiotika. Antibiotika richten sich also gegen das Lebende. Damit ist natürlich nicht das Leben des Menschen gemeint, sondern Lebewesen, die Infektionen verursachen können: Bakterien

Das sind kleinste Lebewesen, die aus einer einzigen Zelle bestehen. Die Mikroorganismen sind äusserst anpassungsfähig und bevölkern fast die ganze Erde. So findet man Bakterien im Boden, in Tieren, auf Lebensmitteln und sogar in der Luft. Auch wir Menschen tragen entsprechend viele Bakterien auf und in uns. Die Gesamtheit aller Bakterien in unserem Körper wird als Mikrobiota bezeichnet. Ist es also die Mikrobiota, die uns krank macht? Nein, im Gegenteil: Die Bakterien, die wir auf unserer Haut und in unserem Körper tragen, sind nützliche Bakterien und wichtig für unsere Gesundheit. Darmbakterien helfen zum Beispiel bei der Verdauung und Hautbakterien schützen vor krank machenden Eindringlingen. Und die gibt es eben leider auch: Bakterien, die uns schaden. Wie im Fall von Sarah: Bei ihr haben sich krank machende Bakterien in den Nasennebenhöhlen so weit ausgebreitet, dass ihr Immunsystem nicht mehr dagegen ankam – in diesem Fall spricht man von einer Infektion.

Giftpfeile gegen Bakterien
In Sarahs Fall trat die erhoffte Wirkung ein: Das Antibiotikum wirkte – die Schmerzen im Oberkiefer liessen nach einigen Tagen nach, das Fieber nahm ab und sogar die Schuhe konnte sie wieder mühelos binden. Wie schaffen es denn Antibiotika, Symptome derart schnell zu lindern? Antibiotikatherapien wirken wie Giftpfeile auf Bakterien. Je nach Antibiotikum können die Pfeile verschiedene Ziele im Visier haben: Der eine trifft beispielsweise die Zellwand der Bakterien, sodass diese daran gehindert werden, ihre Schutzhülle aufzubauen. Ein anderer zielt auf den Stoffwechsel der Bakterien und stört ihn empfindlich. Und der dritte Pfeil greift direkt das Erbgut der Mikroorganismen an. Alle drei Wirkweisen haben zur Folge, dass Bakterien entweder in ihrer Ausbreitung gehindert oder abgetötet werden.

Damit sind wir bereits beim nächsten Punkt: Antibiotika bekämpfen Bakterien zwar sehr effizient, aber sie können nicht zwischen nützlichen Bakterien – solchen, wie sie beispielsweise in unserem Darm überwiegend vorkommen – und krank machenden Bakterien unterscheiden. Dies führt dazu, dass zum Beispiel auch Darmbakterien abgetötet werden. In der Folge kann es zu Durchfall kommen. Oder die Hautbakterien werden in Mitleidenschaft gezogen, sodass sich eine Pilzerkrankung ausbreiten kann. Je nach Wirkweise des Antibiotikums werden zudem Übelkeit, Erbrechen, Hautrötungen sowie Überempfindlichkeitsreaktionen oder gar Störungen der Nierenfunktion als häufigste Nebenwirkungen genannt.

Antibiotika: nicht wirksam bei Viren, Pilzen und Parasiten
Antibiotika können zwar unerwünschte Wirkungen auslösen, sind aber dennoch sehr effektiv. Sind sie also ein Wundermittel gegen jegliche Infektionen? Nein. Denn Antibiotika wirken nicht bei Infektionen, die durch Viren, Pilze oder Parasiten verursacht werden. Der Grund: Diese Erreger unterscheiden sich alle im Aufbau und im Stoffwechsel zu Bakterien. So haben Viren zum Beispiel keine bakterielle Zellwand, keinen eigenen Stoffwechsel und auch das Erbgut ist anders zusammengesetzt. Antibiotika haben dadurch keinen Angriffspunkt. Die Schlussfolgerung daraus: Antibiotika helfen beispielsweise weder gegen die saisonale Grippe noch gegen eine COVIDInfektion – beides Krankheiten, die durch Viren verursacht werden.

Nochmals zurück zu Sarah: Fürchtet sie eine schwere Erkältung diesen Winter? «In meiner Apotheke erhielt ich nützliche Tipps, wie erste Symptome behandelt werden können», erzählt sie. So würde sie zum Beispiel eine Dampfinhalation machen oder einen geeigneten Nasenspray verwenden, um das Fortschreiten der Infektion einzudämmen. «Ich bin also zuversichtlich, dass ich diesen Winter ohne Sinusitis und Antibiotika durchkomme», sagt Sarah. Mit dieser Zuversicht kann der Winter gerne kommen.

LEBEN Monika Wilders

Monika Wilders, Fachapothekerin in Offizinpharmazie und Inhaberin der TopPharm Apotheke & Drogerie Erlinsbach, weiss Rat rund ums Thema Antibiotika.

Was gilt es bei der Antibiotikaeinnahme zu beachten?

Es ist wichtig, sich an die Dosierung und die Behandlungsdauer zu halten, um die optimale Wirkung des Antibiotikums zu erzielen. Setzen Sie das Antibiotikum nicht einfach ab, auch wenn Sie keine Symptome mehr haben. Zudem empfehle ich Ihnen, die Medikamente in der Regel mit Wasser einzunehmen, da die Einnahme mit Säften, Milchprodukten oder Alkohol die Aufnahme in den Körper beeinflussen kann. Halten Sie sich auch an die Einnahmezeitpunkte wie vor, nach oder 1–2 Stunden vor/nach dem Essen. Um einer Resistenzbildung vorzubeugen, sollten Sie zudem keine Einnahme vergessen.

Was empfehlen Sie, um möglichen Nebenwirkungen einer Antibiotikabehandlung vorzubeugen?

Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme oder Vaginalpilzinfektionen können leider bei einer Antibiotikatherapie auftreten. Es kann zu Durchfall, Bauchschmerzen oder Übelkeit kommen. Um Darmprobleme zu verhindern, empfehle ich Ihnen, die Darmflora mit sogenannten Probiotika während oder spätestens nach der Antibiotikatherapie aufzubauen. Bei der Antibiotikaeinnahme ist ein zeitlicher Abstand von 1–2 Stunden zu beachten. Trinken Sie während der Therapie genügend Wasser und ernähren Sie sich mit Schonkost wie leicht verdaulichem Gemüse. Zur Vorbeugung von Vaginalpilzinfektionen empfehle ich die vaginale Anwendung von Milchsäurepräparaten, um die Vaginalflora wiederaufzubauen. Reinigen Sie den Intimbereich zudem nur mit Wasser.