Chronisches Nierenversagen
Synonym: chronische Niereninsuffizienz, chronische Nierenschwäche
Bei chronischem Nierenversagen, auch chronische Niereninsuffizienz oder ‑schwäche, lässt die Funktion der Nieren über Monate oder Jahre nach. Im Gegensatz zur chronischen Form entwickelt sich akutes Nierenversagen schnell, oft innert Stunden.
Chronisches Nierenversagen entsteht häufig als Folge von Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Entzündungen der Nieren, Verwendung bestimmter Medikamente oder aufgrund von erblichen Fehlbildungen. Anfangs löst die Erkrankung fast nie Beschwerden aus. Dann lässt häufig als Erstes der Appetit nach, und die körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab. Später sind Juckreiz, Schmerzen, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen und im Extremfall eine lebensbedrohliche Harnvergiftung möglich.
In frühen Stadien können Therapien die vorzeitige Verschlechterung der Erkrankung verlangsamen. Im Endstadium helfen nur noch Nierenersatztherapien wie Dialyse und Transplantation. Chronisches Nierenversagen senkt die Lebenserwartung.
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Symptome
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Sie fühlen sich häufig müde, können sich schlecht konzentrieren und sich schlecht Dinge merken?Fehlt Ihnen häufig der Appetit, um mit Lust zu essen?Sind Ihre Beine womöglich geschwollen, und sind Sie kurzatmig?
Das können Anzeichen von chronischem Nierenversagen sein – müssen es aber nicht: Nierenschwäche führt in frühen Stadien selten zu Beschwerden. Betroffene können sogar bis zum Stadium 4 nichts von ihrer Erkrankung bemerken.
Im späteren Verlauf reichern sich in Blut und Organen Stoffe an, die gesunde Menschen normalerweise mit dem Urin ausscheiden. Diese harnpflichtigen Substanzen bringen den Elektrolythaushalt, den Säure-Basen-Haushalt und viele weitere Vorgänge durcheinander. Ausserdem ist die Hormonproduktion der Nieren gestört. Bei chronischem Nierenversagen können die Symptome vielfältig sein. Betroffene können etwa diese Beschwerden haben:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, verminderte körperliche Leistung
- Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit, verminderte geistige Leistung
- Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- Ödeme (Flüssigkeitseinlagerungen) z.B. in Beinen, Gesicht, Lunge
- Kurzatmigkeit, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz
- Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen
- Erhöhter Blutdruck (Hypertonie)
- Langsam abnehmende Harnmenge, evtl. nach anfänglich kurzem Anstieg
- Kopfschmerzen
- Juckreiz am ganzen Körper
- Veränderte Hautfarbe – blass, grau oder gelb-braun
- Erektionsstörungen, Impotenz
- «Unruhige Beine» beim Einschlafen (Fachausdruck: Restless-Legs-Syndrom)
- Knochenschmerzen, erhöhte Neigung zu Knochenbrüchen
In Untersuchungen zeigen sich möglicherweise Werte, die vom Normalzustand abweichen und mit denen spürbare Beschwerden zusammenhängen können:
- Blutarmut (Fachbegriff: Anämie)
- Störungen in Wasser-, Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalt
- Verlangsamte Ausscheidung von Medikamenten
- Abbau der Knochensubstanz
Durch chronisches Nierenversagen steigt das Risiko von ernsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich. Die meisten Betroffenen sterben an Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Nierenwerte im Blick zu behalten, besonders wenn Risikofaktoren für chronisches Nierenversagen vorhanden sind.
Personen mit Diabetes mellitus oder Bluthochdruck sollten regelmässig Blut- und Urinuntersuchungen machen, um die Nierenfunktion zu kontrollieren. Die Erkrankungen sind die häufigsten Ursachen für chronisches Nierenversagen.
Viele Texte verwenden «chronisches Nierenversagen» und «chronische Niereninsuffizienz» weitgehend gleichbedeutend. «Insuffizienz» bedeutet Unzulänglichkeit oder Schwäche – also dass etwas schlechter funktioniert, als es sollte. Ob die Einbusse klein oder gross ist, spielt keine Rolle. Dennoch sprechen einige Fachleute zunächst von «Insuffizienz» und erst dann von «Versagen», wenn die Nierenfunktion weitgehend oder ganz ausfällt.
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Behandlung
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Nach einem Eingangsgespräch tasten und klopfen Ärzte üblicherweise die Nierengegend ab. Sie suchen auch nach Ödemen und anderen Auffälligkeiten.
Ultraschalluntersuchungen der Nieren und restlichen Harnwege zusammen mit Laboruntersuchungen liefern Hinweise auf Form, Ausprägung und mögliche Ursachen einer Nierenschwäche.
Um festzustellen, wie gut die Nieren arbeiten, finden meist mehrere Tests statt. Wichtige Werte sind etwa die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), der Kreatininspiegel und die Kreatinin-Clearance (siehe unten).
Bei unklaren Ergebnissen, einem Verdacht auf bestimmte Ursachen und Folgeschäden können weitere bildgebende Verfahren sinnvoll sein (z.B. Röntgen, Dopplersonografien, Computertomografien, Angiografien). In einigen Fällen erlauben erst Gewebsentnahmen (Fachausdruck: Biopsien) aus den Nieren eine sichere Diagnose.
Wenn der Grund für das chronische Nierenversagen erkannt ist, richtet sich die medizinische Therapie besonders gegen die Ursache. In späteren Stadien treten Therapien gegen Komplikationen und Folgeerkrankungen stärker in den Vordergrund.
Zusätzlich sollten Betroffene ihren Lebensstil umstellen, sodass die Erkrankung möglichst langsam fortschreitet.
Üblicherweise finden ständig Kontrolluntersuchungen und -messungen statt. Sie zeigen, wie schnell sich die Erkrankung und ihre Begleiterscheinungen verschlimmern. Anhaltspunkte sind etwa Blutdruck, die Blutwerte für einige Eiweisse und Elektrolyte sowie das Körpergewicht.
In späten Stadien prüfen Fachärzte individuell die Möglichkeiten für Nierenersatztherapien. Sie sind im Endstadium der einzige Ausweg, um lebensbedrohliche Harnvergiftungen zu verhindern.
Wichtige Nierenwerte
Nieren filtern das Blut, das über die Nierenarterien bei ihnen ankommt. Substanzen, die der Körper noch verwenden kann, halten sie zurück – etwa intakte Eiweisse und Blutkörperchen. Harnpflichtige Substanzen, also für den Körper unnötige Stoffe, und überflüssiges Wasser bringen sie als Harn über den Harntrakt zur Ausscheidung.
- Glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Wenn die Nierenleistung nachlässt, sinkt die Menge an gereinigtem Blut unter das Normalmass. Die «Clearance» nimmt ab. Der wichtigste Wert für die Nierenleistung ist die glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Je tiefer die GFR, desto schwächer die Nierenfunktion. Üblicherweise erfolgt die Angabe in Milliliter pro Minute (ml/min). Bei gesunden Erwachsenen beträgt die GFR zwischen 95 und 120 ml/min. Mit dem Alter fällt der Wert ab. Bei Menschen über 60 Jahren liegt er unter 90 ml/min. Wenn die Nierenfunktion gestört ist, finden sich zudem oft Eiweisse im Urin oder bei Entzündungen auch Blutkörperchen. Um die GFR zu ermitteln, sammeln Patienten ihren Urin in der Regel über 24 Stunden. In den Proben lässt sich auch erkennen, welche Blutbestandteile die Nieren gut ausscheiden können und welche nicht.
- Kreatininspiegel und Kreatinin-Clearance: Zu den Eiweissen, die die Nieren vollständig aus dem Körper entfernen, gehört Kreatinin. Ein ansteigender Kreatininspiegel im Blut weist darauf hin, dass die Organe schlechter arbeiten. Gesunde Erwachsene haben einen Kreatininspiegel von zwischen 0,6 und 1,4 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Wie gut die Nieren Kreatinin aus dem Blut entfernen, gibt die Kreatinin-Clearance an. Die Normalwerte liegen bei 75 bis 160 ml/min. Bei der Kreatinin-Clearance deuten niedrigere Werte auf Störungen hin.
Stadien des chronischen Nierenversagens
Das einfachste System, um chronisches Nierenversagen in Schweregrade einzuteilen, beruht nur auf der GFR. Es umfasst fünf Stadien oder manchmal nur vier. Dann fehlt «Stadium 1» oder «Stadium 5» aus der folgenden Liste:
- Stadium 1 – GFR 90 ml/min oder mehr: Die Nieren arbeiten normal. Auch die Werte der harnpflichtigen Substanzen im Blut sind normal. Diese Personen sind gesund, solange sie nicht zu viel Eiweiss ausscheiden (Fachbegriff: Proteinurie) oder sich keine krankhaften Veränderungen der Nieren in bildgebenden Verfahren (z.B. Ultraschall, Computertomografie) zeigen. Solche Auffälligkeiten kommen eher zufällig ans Licht, etwa bei Herz-Kreislauf-Checks. Die Betroffenen haben üblicherweise keine Beschwerden. Therapien sollten bewirken, dass die Störung nicht fortschreitet. Dazu gehört vor allem, etwas gegen mögliche Risikofaktoren und ursächliche Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck zu tun. Ob sich der Zustand verändert, zeigen regelmässige Messungen der GFR an.
- Stadium 2 – GFR 60 bis 89 ml/min: Die Nieren arbeiten immer noch so gut, dass höchstens in Ausnahmefällen Beschwerden auftreten. Die Betroffenen gelten nicht unbedingt als nierenkrank, wenn keine zusätzlichen negativen Befunde vorliegen. Zur Klärung sind neben Bluttests auch genauere Nierentests nötig. Therapien sollen die Nierenfunktion möglichst lange stabil halten. Auch gegen zusätzliche nachteilige Faktoren und Erkrankungen sind Massnahmen nötig.
- Stadium 3 – GFR 30 bis 59 ml/min: Symptome werden nun oft deutlich spürbar. Betroffene klagen über Beschwerden, die sie selbst nur selten einer Nierenerkrankung zuordnen können. Die Mehrheit leidet unter Leistungsschwäche und Müdigkeit. Bluttests ergeben erhöhte Werte bei harnpflichtigen Substanzen, meistens ist auch der Blutdruck erhöht. Das Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko steigt erheblich an. Ärzte müssen die Dosierungen von Medikamenten, die über die Nieren ausgeschieden werden, jetzt an die verminderte Leistung der Nieren anpassen. Sonst können Nebenwirkungen auftreten oder bestehende sich verstärken.
- Stadium 4 – GFR 15 bis 29 ml/min: Die Nierenfunktion lässt weiter nach, wodurch Symptome stärker werden und neue hinzukommen können. Dazu gehören beispielsweise Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz und Schmerzen. Der Körper kann Flüssigkeit einlagern, Ödeme bilden sich oft an den Beinen und im Gesicht. Die Zahl der roten Blutkörperchen und die Knochensubstanz können abnehmen.
- Stadium 5 – GFR unter 15 ml/min: Die Nierenfunktion fällt so gut wie komplett aus. Fachleute sprechen von terminaler Niereninsuffizienz oder manchmal von Nierenversagen im engeren Sinn. Hier sind rasch Massnahmen erforderlich, damit sich der Körper nicht vergiftet. Schädliche Substanzen, die sonst die Nieren entsorgen, müssen anderweitig aus dem Körper gelangen. Dazu dienen Nierenersatztherapien/Nierenersatzverfahren wie Dialyse und Nierentransplantation.
Umstellungen im Lebensstil
In der Regel erarbeiten Ärzte und Patienten individuelle Pläne, wie Trinkgewohnheiten, Ernährung und Lebensweise künftig aussehen sollten. Die Pläne sind dem Zustand der Nieren angepasst. Sie gehen auf mögliche Begleiterkrankungen und auf das hohe Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko der Patienten ein. Sie sollten zudem Infektionen vorbeugen, so gut es geht.
Bei der Ernährung ist grundsätzlich wichtig, dass sie die Nieren schont. Gleichzeitig sollten aber keine Mangelzustände auftreten. Auch der Salz- und der Säure-Basen-Haushalt sollten weitgehend normal bleiben.
- Ernährung: Betroffene sollten weniger Eiweisse zu sich nehmen. Die Nieren müssen Eiweisse ausfiltern, um sie nicht im Körper zurückzuhalten. Wer an der Proteinmenge spart, entlastet die Nieren. Durchschnittlich nehmen Erwachsene täglich etwa 1,3 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht auf. Bei chronischem Nierenversagen sollte die Menge auf 0,8 bis 0,6 Gramm sinken – je nach Stadium und nur vor der Dialysepflicht. Betroffene sollten meistens weniger Fleisch- und Milchprodukte konsumieren, aber gleichzeitig weiterhin ausreichend Kalorien zu sich nehmen. Das fällt ihnen häufig schwer, etwa weil ihnen der empfohlene Speiseplan nicht zusagt oder sie wegen ihrer Erkrankung kaum Hunger haben. Sobald Patienten dialysepflichtig werden, steigt ihr Eiweissbedarf wieder. Sie müssen nun eher darauf achten, nicht zu viel Phosphat aufzunehmen, das oft in Fleischprodukten enthalten ist. Viel Phosphat beschleunigt den Abbau von Knochensubstanz, der in späten Stadien droht. Häufig müssen Patienten auch die Zufuhr an Kalium drosseln.
- Trinkmenge: Wie viel Flüssigkeit Betroffene zu sich nehmen sollten, hängt von ihrer Nierenleistung ab. Anfangs, wenn die Harnmenge noch normal ist, heisst es, viel zu trinken. Später, wenn die Harnmenge abnimmt, muss auch die Trinkmenge sinken. Sehr stark eingeschränkt ist die Tagesmenge an Flüssigkeit bei Dialysepflicht und kurz vorher. Ständiger Durst kann die Betroffenen stark belasten. Sie sollten ab Stadium 3 in der Lage sein, ihren Flüssigkeitshaushalt selbst zu kontrollieren, indem sie sich jeden Morgen wiegen. Abnehmende Harnmengen bei gleichzeitiger Gewichtszunahme weisen auf Flüssigkeitseinlagerungen (Fachbegriff: Ödem) hin. Betroffene sollten ihre Flüssigkeitszufuhr verringern.
- Medikamente: Wie unter «Ursächliche Behandlung» genauer beschrieben, können bestimmte Medikamente den Nieren schaden und sogar Nierenversagen verursachen. Patienten mit chronischem Nierenversagen sollten entsprechende Medikamente meiden.
- Übriger Lebensstil: Das Risiko von Herz-Kreislauf-Beschwerden der Patienten ist deutlich erhöht. Deshalb sollten sie auch ihren übrigen Lebensstil entsprechend anpassen. Sehr wichtig ist es, mit dem Rauchen aufzuhören. Regelmässige Bewegung, Normalgewicht, gleichmässiger Lebensrhythmus und weitere positive Faktoren haben ebenfalls grosse Vorteile für Betroffene.
Ursächliche Behandlung
Die meisten Fälle an chronischem Nierenversagen kommen durch Erkrankungen zustande und durch Substanzen, die den Nieren schaden. Die Ursachen zu beseitigen oder unter strenger Kontrolle zu halten, wirkt sich vorteilhaft auf Nierenschwäche und ihren Verlauf aus.
Für viele ursächliche Erkrankungen finden sich detaillierte Angaben, wie sie zu behandeln sind, unter den jeweiligen Krankheitsbildern. Allerdings können sich Einzelheiten ändern, wenn gleichzeitig chronisches Nierenversagen vorliegt. Um die Nieren zu schonen, müssen etwa Medikamente teilweise niedriger dosiert werden oder durch nierenfreundliche Mittel ersetzt werden.
- Diabetes: Patienten mit Diabetes mellitus sollten ihren Blutzuckerspiegel besonders gut im Griff haben. Dazu sind regelmässige Messungen des Blutzuckers, geeignete Anpassungen der Ernährung und des übrigen Lebensstils und antidiabetische Medikamente oder Insulin nötig. Bei gleichzeitigem chronischem Nierenversagen mit Nierenschäden nehmen viele Diabetiker ein oder mehrere Mittel zur Blutdrucksenkung ein. So lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung oft zusätzlich verlangsamen.
- Bluthochdruck: Bei mildem Hochdruck kann es ausreichen, den Lebensstil umzustellen. Das bedeutet meistens, Übergewicht zu verringern, sich mehr zu bewegen, mit dem Rauchen aufzuhören, Stress zu vermeiden oder abzubauen, sich ausgewogen zu ernähren, weniger Salz zu sich zu nehmen und nur mässig Alkohol zu trinken. Wenn Medikamente nötig sind, sollten sie nierenfreundlich sein wie etwa die ACE-Hemmer und Schleifendiuretika, eine bestimmte Gruppe entwässernder Medikamente.
- Arteriosklerose: Verkalkte, also verengte Arterien finden sich laut Fachleuten in bis zu neun von zehn Fällen von chronischem Nierenversagen. Arteriosklerose kann zur Entstehung beitragen und das Fortschreiten beschleunigen. Ein angepasster Lebensstil – ähnlich wie bei Bluthochdruck – wirkt der Verkalkung entgegen.
- Nierenbeckenentzündung (Fachbegriff: Pyelonephritis): Hier infizieren Bakterien bestimmte Strukturen in den Nieren. Nierenbeckenentzündungen schaden den Organen, insbesondere wenn sie wiederholt auftreten. Eine Behandlung mit Antibiotika sollte stattfinden, aber möglichst gezielt, also erst nachdem die Art der Erreger bestimmt ist. Betroffene können das Risiko wiederholter Entzündungen verringern, indem sie viel trinken. Wenn körperliche Umstände wie Engstellen im Harntrakt eine Rolle spielen, sollten sie beseitigt werden.
- Nierenentzündungen: Wenn sich die winzigen Filtereinheiten der Nieren entzünden, die Nierenkörperchen oder Glomeruli, spricht man von einer Glomerulonephritis. Haben sich die kleinen Harnkanälchen und der umliegende Raum entzündet, liegt eine interstitielle Nephritis vor. Es gibt akute und chronische Formen. Letztere können zu einem chronischen Nierenversagen führen. An Glomerulonephritis sind Immunreaktionen beteiligt. Die Erkrankung schreitet normalerweise lange unbemerkt fort, sodass sie nach der Diagnose meist kaum noch gezielt zu behandeln ist. Patienten sollen auf ihren Blutdruck achten, ihre Flüssigkeitsmenge anpassen und bei der Ernährung an Eiweissen sparen, solange ihre Nieren noch zumindest eingeschränkt arbeiten. Für interstitielle Nephritis können mehrere Umstände verantwortlich sein, etwa Virusinfektionen, Autoimmunerkrankungen (z.B. systematischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom), Stoffwechselerkrankungen (z.B. Gicht), Giftstoffe (z.B. Blei), Strahlung und Medikamente. Das wichtigste Standbein der Therapie ist, die Ursache auszuschalten oder abzuschwächen.
- Schäden durch Medikamente: Eine ganze Reihe an Medikamenten kann den Nieren schaden. Dazu gehören einige frei verkäufliche Schmerz- und Rheumamittel (z.B. Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen), Antibiotika, Diuretika, Protonenpumpenhemmer und andere. Wenn Betroffene das entsprechende Mittel absetzen, kann sich die Nierenfunktion wieder verbessern. Verantwortlich für chronisches Nierenversagen sind oft langzeitige Anwendungen von Schmerz- und Rheumamitteln, teilweise zusätzlich in hohen Dosen. Personen mit chronischem Nierenversagen sollten alle Medikamente mit Fachkundigen absprechen. Medikamente können auch akutes Nierenversagen auslösen.
- Abflusshindernisse für den Harn: Wenn der Harn nicht ungehindert abfliesst, kann er sich über Blase und Harnleiter bis hin zu den Nieren stauen. Das schadet den Organen. Harnstau erhöht auch das Risiko für Infektionen. Ärzte müssen Abflusshindernisse in der Regel durch Operationen beseitigen. Beispiele für Hindernisse, die den Harnabfluss langsam einschränken können, sind etwa Steine in Blase und Harnröhre oder bei Männern eine Vergrösserung der Prostata.
- Zystennieren: Meist erblich bedingt können sich in den Nieren viele Zysten bilden, also kleine Bläschen oder Kammern, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Diese Fehlbildungen schränken die Nierenfunktion stark ein. Zystennieren können häufig chronisches Nierenversagen nach sich ziehen. Für die Behandlung mancher Formen steht ein Wirkstoff zur Verfügung (Tolvaptan). Zudem müssen Betroffene ihren Lebensstil anpassen und oft weitere Medikamente einnehmen, etwa gegen Bluthochdruck. Später wird bei vielen Patienten eine Nierenersatztherapie wie Dialyse oder Nierentransplantation notwenig. Heilung ist nur durch eine Transplantation möglich. Zystennieren können auch bei Patienten entstehen, die über lange Zeit Dialyse machen.
Nierenersatztherapien
Wenn die Nieren kaum noch oder gar nicht mehr arbeiten, sind Nierenersatztherapien die letzte Möglichkeit, um lebensbedrohliche Harnvergiftungen zu verhindern. Deshalb müssen Fachärzte in späten Stadien prüfen, wann eine Nierenersatztherapie notwendig wird und ob sie überhaupt möglich ist. Nierenersatztherapien übernehmen die Aufgaben, die sonst gesunde Nieren erfüllen.
Eine Transplantation ersetzt die erkrankten Organe durch solche, die gut arbeiten. Leider gibt es viel zu wenige Spenderorgane, um alle Patienten zu versorgen.
Deshalb kommt bei den meisten Patienten eine Form der Dialyse zum Zug. Diese Verfahren nennt man auch Blutwäsche oder Blutreinigung. Am weitesten verbreitet sind die Hämodialyse und die Peritonealdialyse:
- Hämodialyse: Sie ist das häufigste Verfahren. Stark vereinfacht ausgedrückt, strömt Blut der Patienten ausserhalb des Körpers durch eine sehr feine Filtermembran. Die Membran hält nützliche Substanzen zurück und lässt unnütze Stoffe durch. Anschliessend fliesst das gereinigte Blut zurück in den Körper der Patienten. Die Blutwäsche im Detail ist ein komplizierter Vorgang, den ein Dialysegerät erledigt. Manchmal wird es «künstliche Niere» genannt. Die zentrale Reinigungseinheit heisst Dialysator. Dialysegeräte entziehen dem Blut unerwünschte Stoffe, aber können es genauso mit Salzen oder anderen Substanzen anreichern, die den Patienten fehlen. Bei chronischem Nierenversagen ist üblicherweise dreimal pro Woche eine solche Blutwäsche nötig. Sie dauert jeweils etwa vier bis fünf Stunden. Bei manchen Patienten ist eine Heimdialyse möglich – sie können ihre Blutwäschen zu Hause durchführen. Andere müssen dazu in ein Dialysezentrum gehen. Um die Blutgefässe zu schonen, bekommen Patienten einen besonderen Zugang gelegt, einen Dialyse-Shunt. Er verbindet auch eine Arterie, aus der das ungewaschene Blut kommt, mit einer Vene, in die gereinigtes Blut zurückfliesst. Nach einer kurzen Umstellungszeit, die von Beschwerden wie Übelkeit und Juckreiz begleitet sein kann, fühlen sich die meisten Patienten deutlich besser. Allerdings empfinden viele die Abhängigkeit von der Dialyse als starke Einschränkung ihrer Freiheit. Als Komplikationen gefürchtet sind Verschlüsse und Infektionen an den Shunt-Gefässen. Leider kann die Hämodialyse die Funktion der Nieren nicht völlig ersetzen, deshalb können sich über Jahre hinweg unerwünschte Stoffe ansammeln und Symptome verursachen. Möglich sind etwa Juckreiz, schnelle Ermüdung, Ödeme, Harninkontinenz, Muskelschwäche, depressive Verstimmungen, Knochenschmerzen, Impotenz und andere. Für die meisten Patienten überwiegen die Vorteile aber deutlich.
- Peritonealdialyse: Dieses Verfahren ist deutlich seltener als die Hämodialyse. Es gibt zwei grosse Unterschiede: Bei der Peritonealdialyse bleibt das Blut im Körper. Ausserdem reinigt kein künstlicher Dialysator das Blut, sondern das körpereigene Bauchfell oder Peritoneum. Es kleidet die gesamte Bauchhöhle aus und ist stark durchblutet. Das Bauchfell filtert das Blut. Erwünschte Stoffe hält es zurück, unerwünschte lässt es in die Bauchhöhle durch. Bei der Peritonealdialyse wird die Bauchhöhle über Katheter mit einer sterilen Lösung gespült und so die unerwünschten Substanzen ausgewaschen. Je nach Verfahren geschieht das mehrmals täglich oder über Nacht. Letzteres ist z.B. positiv für Berufstätige. Ob eine Peritonealdialyse infrage kommt, müssen Fachärzte sorgfältig für den einzelnen Patienten abwägen. Es hängt stark davon ab, wie gut ihr Bauchfell schädliche Stoffe ausfiltert und wie viele Schadstoffe ihr Blut enthält. Das Verfahren ist weniger wirkungsvoll als die Hämodialyse. Als Komplikation kann eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) auftreten. Sie kann sich entwickeln, wenn Erreger über Katheter in die Bauchhöhle gelangen.
- Nierentransplantation: Durch Transplantation einer Spenderniere können Patienten mit chronischem Nierenversagen von einer Dialyse befreit werden. Untersuchungen müssen zeigen, ob Patienten für das Verfahren geeignet sind. Dann können sie auf eine Warteliste kommen. In der Regel beträgt die Wartezeit mehrere Jahre, bis ein passendes Organ von einem kürzlich verstorbenen Spender zur Verfügung steht. Allerdings können Patienten, die eine Niere durch eine Lebendspende erhalten, ohne Wartezeit transplantiert werden. Vor einer Transplantation müssen aufwendige Tests klären, ob ein mögliches Spenderorgan nicht gleich wieder abgestossen wird. Die besten Chancen bestehen, wenn das Organ von engen Verwandten stammt. Die Ergebnisse des Verfahrens sind gut. Innert zehn Jahren nach der Transplantation verlieren durchschnittlich nur vier von zehn verpflanzten Nieren ihre Funktion.
Medikamente gegen Folgen und Komplikationen
Eine Reihe von Medikamenten kann bei chronischem Nierenversagen zum Einsatz kommen, wenn bestimmte Umstände vorliegen und der Einsatz möglich ist. Das hängt von einigen individuellen Faktoren ab.
- Statine können erhöhte Blutfettwerte (LDL-Cholesterin) senken, wenn eine Umstellung im Lebensstil nicht ausreicht.
- Kalziumsalze, Aluminiumsalze, Sevelamer und Lanthancarbonat können einen erhöhten Phosphatspiegel senken.
- Vitamin-D-Präparate können einen Vitamin-D-Mangel beheben.
- Alfacalcidol, Calcitriol, Paricalcitol, Cinacalcet können eine Erhöhung des Wertes von Parathormon begrenzen.
- Eisenpräparate und Erythropoetin können bei Blutmangel helfen.
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Verlauf, Komplikationen, Besonderheiten
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Die Nieren reinigen das Blut. Sie sorgen dafür, dass brauchbare Substanzen im Körper zurückbleiben, aber unnötige Stoffe und überflüssiges Wasser ausgeschieden werden. Wenn die Nierenfunktion nachlässt, sammeln sich Stoffe an, die mit dem Urin ausgeschieden werden sollten. Dadurch können viele Vorgänge im Körper aus der Balance kommen. Wie unter «Symptome» und «Stadien» beschrieben, können sich viele, sehr unterschiedliche Beschwerden entwickeln.
Im Endstadium droht eine sogenannte Harnvergiftung (Fachbegriff: Urämie). Dann sind Herzrhythmusstörungen, Wasseransammlungen in der Lunge (Lungenödem), Nervenschäden, krankhafte Veränderungen im Gehirn und weitere Symptome bis hin zum Koma möglich. Durch geeignete Behandlungen wie Nierenersatztherapien lassen sie sich in der Regel vermeiden.
Chronisches Nierenversagen senkt die durchschnittliche Lebenserwartung der Betroffenen. Wie schnell sich die Erkrankung verschlechtert, hängt aber von einigen Faktoren ab.
Je besser die Nieren noch arbeiten, wenn chronisches Nierenversagen entdeckt wird, desto besser ist auch die Prognose bei angemessener Behandlung.
Nachteilig wirken sich beispielsweise auch hohes Alter, hoher Blutdruck, Rauchen, Übergewicht, männliches Geschlecht und besonders hohe Blutzuckerwerte aus.
Die Erkrankung erhöht das Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko stark. Entsprechend sterben die meisten Patienten mit chronischem Nierenversagen an Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall. Die zweithäufigste Todesursache sind Infektionen.
Komplikationen
Die Abgrenzung zwischen Folgen und Komplikationen ist meistens unscharf. Einige Folgen von chronischem Nierenversagen und ihre Auswirkungen können auch als Komplikationen gelten. Dazu zählen Fachleute teilweise einen (weiteren) Anstieg des Blutdrucks, Lungenödeme, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Blutarmut, Knochenschmerzen, Muskelschmerzen, Knochenbrüche und Weiteres.
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Ursachen, Risikofaktoren und Häufigkeit
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Viele Ursachen von chronischem Nierenversagen sind schon beim Punkt «Ursächliche Behandlung» aufgelistet. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Erkrankungen als Folge von Diabetes mellitus und Bluthochdruck besonders stark angestiegen. Laut Statistik verteilen sich die häufigsten Ursachen ungefähr wie folgt:
- 30% der Erkrankungen entstehen durch Diabetes mellitus
- 20% durch Bluthochdruck
- 12 bis 20% durch Nierenentzündungen wie Glomerulonephritis und interstitielle Nephritis
- 8 bis 10% durch Medikamente, speziell durch Schmerzmittel
- 5% durch erbliche Nierenerkrankungen wie Zystennieren
Risikofaktoren
Die Risikofaktoren entsprechen weitgehend den Ursachen. Es handelt sich also vorwiegend um
- erworbene Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Nierenentzündungen),
- erbliche Erkrankungen (z.B. Zystennieren),
- Behandlungen mit Medikamenten, die schädlich sein können für die Nieren (z.B. Schmerzmittel, Antibiotika, Blutdruck-, Kontrastmittel).
Häufigkeit
Chronisches Nierenversagen ist besonders unter Menschen im Alter von über 80 Jahren verbreitet. Vor dem 50. Lebensjahr ist es sehr selten. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter.
In der Schweiz leben rund 50’000 Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Die Nieren arbeiten bei circa 4000 Patienten so schlecht, dass sie dialysepflichtig sind. Ungefähr 300 erhalten jährlich per Transplantation eine Spenderniere.
In den Industrienationen haben durchschnittlich 7 von 100 Personen laut Erhebungen eine eingeschränkte Nierenfunktion. Die Fallzahlen steigen.
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Vorbeugung
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Gezielt gegen chronisches Nierenversagen vorzubeugen, ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die sinnvollsten Massnahmen sind, auf den Flüssigkeitskonsum zu achten, auch sonst einen gesunden Lebensstil zu pflegen, frühzeitig Nierentests als Vorsorge zu machen und Risikofaktoren zu meiden oder abzuschwächen, so gut es geht.
- Frühzeitige Blut- und Urintests, um eine eingeschränkte Nierenleistung und Erkrankungen zu erkennen, die zu chronischem Nierenversagen führen können. Sinnvoll sind solche Untersuchungen spätestens ab 50 Jahren.
- Vorbeugung gegen Diabetes, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Arteriosklerose wie beispielsweise durch den Abbau von Übergewicht, regelmässige Bewegung und eine salzarme Ernährung, die viel Gemüse und Früchte, aber wenige gesättigte Fettsäuren enthält.
- Konsequente Behandlung von bestehenden Erkrankungen, die chronisches Nierenversagen nach sich ziehen können, besonders von Diabetes mellitus und Bluthochdruck.
- Mässiger Alkoholkonsum.
- Rauchen sollte gestoppt werden.
- Ausreichend trinken, am besten Wasser, Kräutertee und dünne Saftschorlen, aber möglichst keine Süssgetränke wie Energydrinks, Cola und Limonaden. Erwachsene sollten täglich etwa zwei Liter Wasser zu sich nehmen – knapp 1,5 Liter durch Getränke und etwas mehr als einen halben Liter mit der festen Nahrung.
- Zurückhaltung bei Schmerzmitteln und anderen Medikamenten, die den Nieren schaden können. Bei Zweifel sind fachliche Beratungen angebracht.
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TopPharm hilft!
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Ihr persönlicher Gesundheits-Coach bietet nicht nur Checks zur Früherkennung von Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen an, die chronisches Nierenversagen verursachen oder fördern können. Für viele chronische Erkrankungen gibt es Begleitprogramme. Sie helfen Betroffenen, nötige Medikamente regelmässig einzunehmen und den Lebensstil in geeigneter Weise umzustellen. Sie können sich ebenfalls gern an Ihren Gesundheits-Coach wenden, wenn Sie wissen wollen, ob Ihre Medikamente nierenfreundlich sind. Falls nicht, kann er Ihnen meistens gleichwertige Alternativen aufzeigen.
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Wirkstoffe