Durch dick und dünn
Trotz gegensätzlicher Folgen, haben Verstopfung und Durchfall eines gemein: Die normale Darmfunktion ist behindert. Obwohl zumeist harmlos, können beiden Störungen extrem unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen.

Unser Darm ist Tag und Nacht aktiv. Aus täglich bis zu zwei Kilogramm Nahrung holt er alle verwertbaren Nährstoffe heraus, der unverdaubare Rest «kommt hinten wieder raus». Je nach dem, was gegessen wurde, dauert die slalomförmige Passage durch Mund, Speiseröhre, Magen, Dünndarm, Dickdarm, Mastdarm und After 60 bis 120 Stunden. Allerdings können die Verweilzeiten der Nahrung im Körper erheblich variieren: Während bei starkem Durchfall das Essen bereits nach wenigen Stunden wieder draussen ist, dauert die Darmpassage bei Verstopfung oft eine Woche und länger. Beides kann sehr unangenehm sein.
Nur mit grosser Anstrengung
Wer seltener als dreimal in der Woche seinen Darm entleeren kann, wer dann nur kleine, harte Stuhlklumpen entlässt, wer sich nur mit grossem Kraftaufwand Erleichterung verschafft, leidet per Definition unter Verstopfung. Treten solche Symptome über mehr als drei Monate auf spricht man von chronischer Obstipation (so der Fachausdruck). In der Schweiz leiden zwischen sieben und 16 Prozent der Bevölkerung darunter. Dagegen sind von einer kurzzeitigen, akuten Obstipation wahrscheinlich noch mehr Menschen betroffen. Sie kann beispielsweise als Reiseverstopfung durch zu langes Sitzen oder durch die Umstellung des Tagesrhythmus auftreten. Begünstigt wird eine Verstopfung zudem durch Fieber, Hitze, mangelnde Flüssigkeitszufuhr, ballaststoffarme Ernährung, Bewegungsmangel und häufige Unterdrückung des Stuhlgangreizes. Menschen, die beruflich wechselnden Tag-Nacht-Rhythmen ausgesetzt sind, wie Nachtschichtarbeiter, Pflegende oder Vielreisende sind ebenfalls häufig von Verstopfung betroffen. Zwar könne die Entleerung dann sehr schmerzhaft sein, erklärt der Gastroenterologe Dr. med. Michael Manz vom St. Claraspital in Basel, danach sei aber zumeist wieder gut.
Viele Ursachen für «rien ne va plus»
Neben solchen akuten Verstopfungen können unterschiedlichste Störungen auch länger anhaltende Obstipationen hervorrufen. Dazu gehören Krankheiten des zentralen Nervensystems wie Parkinson, Multiple Sklerose, Schlaganfall, Demenzerkrankungen oder Tumoren. Auch eine Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Überfunktion der Nebenschilddrüse führen zu einer Verlangsamung der Darmtätigkeit. Daneben kann auch Kaliummangel, verursacht durch Medikamente oder Nierenschwäche, sowie ein permanent erhöhter Blutzuckerspiegel Verdauungs- und Stuhlprobleme hervorrufen. Apropos Medikamente: Magensäurehemmer wie H2-Rezeptorantagonisten oder Protonenpumpenblocker, bestimmte Magensäurebinder, Codein, Betablocker, Kalziumantagonisten, Diuretika, aber auch Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva, Antiepileptika oder Morphinpräparate haben das Potenzial, den Stuhlgang zur Herausforderung werden zu lassen. Schliesslich können auch Verwachsungen im Darm, oder Darmvorfälle irgendwann als mechanisches Hindernis einen Darmverschluss hervorrufen. Typische Symptome dafür sind krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Blähbauch, fehlender Stuhlgang und eventuell Fieber. Dann heisst es, sofort den Arzt konsultieren!
Zumeist harmlos
Trotz dieser vielen «Verstopfungsmöglichkeiten», ist verzögerter Stuhlgang fast immer harmlos. «Die allermeisten Leute mit Obstipation haben keine zugrunde liegende Erkrankung, sondern schlicht einen trägen Darm, der langsam arbeitet», erklärt Michael Manz. «Durch Medikamente, die den Stuhl weich machen, kann ihnen relativ einfach geholfen werden». Solche Medikamente enthalten verschiedene Abführmittel. Sie sollten nur nach fachlicher Anweisung eingenommen werden. Auch durch eine Umstellung des Lebensstils lässt sich ein träger Darm oft wieder in Schwung bringen. Dazu gehören mehr Bewegung, Ballaststoffe (Vollkorn, Leinsamen, Obst und Gemüse), ausreichend Flüssigkeit und Trockenfrüchte. Gleichzeitig sollten Dinge, die eher verstopfend wirken, wie beispielsweise Schokolade, Bananen oder Weissbrot, vermieden werden.
Akuter Durchfall durch Viren und Bakterien
Der vielleicht noch unangenehmere Bruder der Verstopfung ist der Durchfall. «Man ist in seinen Sozialkontakten schon sehr eingeschränkt, wenn man dauernd aufs WC laufen muss», sagt Michael Manz. Auch hier können sehr unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Eine länger als drei Wochen anhaltende chronische Diarrhö ist häufig ein Anzeichen für eine Darmentzündung wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Reizdarm. Aber auch eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse sind möglich. Wesentlich häufiger ist jedoch der akute Durchfall. Mit ihm signalisiert der Körper, dass gerade irgendetwas nicht stimmt. Oft stecken Infektionen mit Viren oder Bakterien, manchmal aber auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Lebensmittelvergiftungen oder Stress dahinter. Ansteckende Durchfallverursacher sind Rotaviren (v.a. bei Säuglingen und Kleinkindern), Noroviren (vorzugsweise im Winter) und Adenoviren. Hat ein solches Virus die Darmwand infiziert, können die entzündeten Darmzellen buchstäblich das Wasser nicht mehr halten und geben es unkontrolliert in den Darm ab. Unter den Bakterien sind Campylobacter, Salmonellen und Kolibakterien gefürchtete «Dünnpfiffmacher». Vor allem in Ländern mit eingeschränkten hygienischen Verhältnissen sind sie, zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Bakterien und Parasiten, nicht selten für lästige Ferien-Unterbrechungen verantwortlich. Im Normalfall wird jedoch unser Immunsystem nach wenigen Tagen mit den Erregern fertig.
Schlechtes Essen – schnell wieder raus
Tritt der Durchfall nach einem (zu) üppigen Essen auf, will unser Körper die aufgenommene Nahrung schnellstmöglich wieder loswerden. Nicht selten sind solche Durchfälle mit krampfartigen Bauschmerzen und starken Blähungen verbunden. Auslöser können beispielsweise fettreiche Speisen, sehr scharfes Essen, stark gezuckerte Nahrung oder Alkohol sein. Natürlich wehrt sich der Körper auch bei Vergiftungen, etwa durch Pilze, mit sofortiger Ausscheidung. Auch Lebensmittelunverträglichkeiten sind für Diarrhö verantwortlich. Die häufigsten Verursacher sind Laktoseintoleranz, Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) oder Fructoseintoleranz. Nicht selten reagieren Menschen vor Prüfungen oder anderen stressbelasteten Situationen mit spontanem Durchfall. Schliesslich können auch unzählige Medikamente (z.B. Antibiotika) als unerwünschte Nebenwirkung einen breiig-flüssige Stuhl hinterlassen.
Trinken – und nochmals Trinken
Bei einer Diarrhö verliert der Körper sehr viel Flüssigkeit. Oberstes Ziel ist es daher, die verlorene Flüssigkeitsmenge wieder zu ersetzen. Erwachsenen mit Durchfall wird empfohlen, die tägliche Flüssigkeitsmenge auf etwa drei Liter zu verdoppeln. Mit dem wässrigen Stuhl werden aber auch wichtige Elektrolyte und Nährstoffe dem Körper entzogen. Fachleute empfehlen daher, diesen Verlust wieder auszugleichen. Eine Möglichkeit sind hierbei spezielle, in der Apotheke erhältliche Elektrolytmischungen. Sie beinhalten das richtige Mengenverhältnis von Mineralsalzen und Zucker. Auch süsse Kräutertees oder klare Suppen können helfen. Leiden Säuglinge und Kleinkinder unter Durchfall, ist die Gefahr einer Austrocknung deutlich grösser als bei Erwachsenen. Auch ältere Menschen haben geringere Flüssigkeitsreserven und neigen eher dazu, etwas weniger zu trinken. Während gesunde Erwachsene normalerweise einen akuten Durchfall ohne ärztliche Hilfe nach ein paar Tagen meistern, sollte man bei Kleinkindern und Senioren nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch bei länger anhaltendem oder rätselhaftem Durchfall ist es ratsam, durch einen Arzt die potenziellen Ursachen abklären zu lassen. Er kann auch entscheiden, ob der kurzzeitige Einsatz von Peristaltikhemmern, Krampflösern, Antibiotika oder Schmerzmittel sinnvoll erscheint.