Allergien bei Kindern unbedingt abklären lassen
Wenn die Pollen fliegen, beginnt für viele Menschen eine Leidenszeit. Der Biologe Dr. Georg Schäppi, Geschäftsleiter von «aha! Allergiezentrum Schweiz», gibt praktische Tipps im Umgang mit Allergien.

Herr Dr. Schäppi, die Pollenflugzeit beginnt. Wie lässt sich eine allergische Reaktion von einem leichten Infekt unterscheiden?
Dr. Georg Schäppi: Die einfachsten Kriterien sind wohl die Saisonalität und die Situation. Heuschnupfen tritt nur dann auf, wenn im Jahresverlauf tatsächlich Pollen fliegen. Das beginnt schon ab Januar mit der Hasel und Erle, dann kommen die Birke, im Frühsommer die Gräser und später Beifuss und Ambrosia. Die grössten Probleme machen die Gräserpollen im Juni und Juli.
Ein zweites Unterscheidungskriterium ist der deutliche Wechsel zwischen drinnen und draussen: Im Haus haben die Betroffenen normalerweise weniger Beschwerden als im Freien. Da gibt es bei einem normalen Schnupfen keinen Unterschied. Ausserdem ist Heuschnupfen meist mit tränenden Augen, einem eher wässrigen Sekret und starkem Juckreiz verbunden. Ein Schnupfen zeigt sich etwas anders.
Bei welchen Wetterlagen sollten sich Pollenallergiker besonders in Acht nehmen?
Ich habe einige Zeit in Australien gearbeitet. Wenn dort nach einer Hitzeperiode ein starkes Gewitter bevorsteht, leiden die Leute extrem unter Asthma. Dann platzen die Pollen explosionsartig in der Luft und die kleinen Partikel dringen tief in die Atemwege ein. Grundsätzlich kann dies auch in der Schweiz passieren. Die Pollen nehmen auch bei uns vor einem heftigen Gewitter osmotisch an Volumen zu und können dadurch viel leichter platzen. Nach dem Regen ist die Luft allerdings gereinigt und den Allergikern geht es wieder besser.
Ist denn bei uns generell eine Zunahme von Allergien zu beobachten?
Das ist definitiv so. Im Vergleich zu vor 100 Jahren haben Allergien stetig zugenommen. Man geht heute davon aus, dass in den westlichen Industrienationen rund 20% der Bevölkerung betroffen sind. Zwar ist der Anstieg in den vergangenen Jahren etwas abgeflacht, trotzdem geht die Tendenz immer noch nach oben. Das bezieht sich nicht nur auf Allergien gegen Pollen, sondern auch gegen Tiere, Nahrungsmittel oder Hausstaubmilben. Auch Kreuzreaktionen nehmen zu.
Was ist eine Kreuzreaktion?
Grundsätzlich basiert eine Kreuzreaktion auf der Ähnlichkeit zweier Proteine. Es beginnt damit, dass jemand eine allergische Reaktion gegen ein Protein im Pollen einer bestimmten Pflanze entwickelt. Wenn die Person nun etwas isst, das ähnliche Eiweisse enthält wie der Pollen, entwickelt sie eine Immunreaktion gegen dieses Nahrungsmittel. Birkenpollen und Äpfel haben beispielsweise eine solche Übereinstimmung, und wer gegen Birkenpollen allergisch ist, zeigt häufig auch Allergie-Symptome beim Verzehr eines Apfels.
Warum gibt es eigentlich immer mehr Allergiker?
Wir vermuten, dass unser Immunsystem weniger tolerant ist. Es reagiert stärker und schneller auf allergieauslösende Substanzen. Dazu kommen Umwelteinflüsse, die vor allem bei den Pollen eine Rolle spielen. Studien zeigen, dass Pollen in Regionen mit wenig Umweltbelastung längst nicht so allergen wirken wie Pollen in verschmutzten Industriestandorten. Eine Birke an einer stark befahrenen Strasse hat wesentlich mehr Stress, weshalb sie spezielle Wundheilungsproteine produziert. Über die Pollen lösen diese Eiweisse bei uns deutlich mehr allergische Reaktionen aus. Dazu kommen verschiedene Schmutzpartikel, die direkt auf den Pollen anhaften. Auch unser Körper ist in Industriegebieten einem stärkeren Umweltstress ausgesetzt, sodass unser Immunsystem schneller reagiert.
Dazu kommt noch die berühmte Hygienetheorie ...
… die durch die Wissenschaft belegt ist. Ein Immunsystem, das in den frühen Kindheitsjahren nicht richtig gefordert wird, reagiert später empfindlicher. Wenn ich mich erinnere, wie wir als Kinder aufgewachsen sind, besteht schon ein grosser Unterschied zu heute. Dabei ist es sehr einfach: Wenn ein Kind draussen spielt, auf der Wiese, im Wald, im «Dreck», wenn es sich ausgewogen ernährt, dann sind die Voraussetzungen gut, dass sich ein gesundes Immunsystem entwickeln kann. Auch schwangere Frauen sollten sich ganz normal ernähren. Fisch, Nüsse, Eier – das alles sollte nicht gemieden werden.
Aber wenn ich bereits unter einer Allergie leide, sollte ich mich schon in Acht nehmen ...
Ja, wer allergisch auf Haselnüsse reagiert, sollte natürlich keine Haselnüsse essen. Bei einer Pollenallergie empfehlen wir, am Abend die Haare zu waschen, die Kleider nicht ins Schlafzimmer zu nehmen und Pollenschutzgitter vors Schlafzimmerfenster zu hängen. Auch gegen Milben kann ich mich schützen. Wenn ich weiss, dass mein Grossvater und meine Mutter schon starke Probleme mit Allergien hatten, also eine genetische Vorbelastung existiert, sollte ich aufmerksam sein. Bei Hinweisen auf mögliche allergische Beschwerden ist es wichtig, diese früh genug und ausführlich beim Arzt abzuklären.
Seit einiger Zeit werden solche Tests als Allergie-Checks in den Apotheken angeboten. Wie sinnvoll ist das?
Durch den Test bekommt man eine wichtige Information, nämlich ob die getestete Person auf ein bestimmtes Allergen reagiert. Beim Allergie-Check wird eine Person von speziell geschulten Mitarbeitenden in der Apotheke auf die häufigsten Atemwegsallergien getestet. Wenn die allergischen Beschwerden stark sind oder die Ursache der Symptome nicht geklärt werden kann, wird die Apothekerin oder der Apotheker empfehlen, sich an einen Allergologen zu wenden.
Warum sollten gerade Kinder behandelt werden?
Viele Erwachsene schleppen sich oft irgendwie durch die Pollensaison. Wenn sie das für sich entscheiden, ist das ihre Sache. Aber besonders bei Kindern haben wir einen Präventionsauftrag. Es darf nicht sein, dass es bei einem Kind zu einem «Etagenwechsel» kommt, dass sich also aus einem Heuschnupfen ein Asthma entwickelt. Das passiert bei den Kleinen gar nicht so selten. Deshalb sollte man bei Kindern unbedingt handeln: Abklären lassen, um welche Allergene es sich handelt und dann eine wirksame Hyposensibilisierung einleiten. Auch bei der Neurodermitis kann etwas gegen den Juckreiz unternommen werden. Wenn ein Kind im Bett liegt und sich blutig kratzt, weil es fast verrückt wird vor Juckreiz und Schmerz, ist das für die ganze Familie extrem belastend.
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