Ein gezielter Aufbau der Darmflora mit Probiotika und Präbiotika stärkt das Immunsystem und verleiht Energie und Lebensfreude. Wie geht man dazu am besten vor? Diese und weitere Fragen klären wir in diesem Artikel.

Ohne es zu merken, leben wir mit rund 100 Billionen Darmbakterien zusammen, die sich mehrheitlich im Dickdarm tummeln. Diese Mikroorganismen bilden unsere Darmflora, das sogenannte Mikrobiom. Eine Darmflora ist vergleichbar mit dem Ökosystem eines Korallenriffs: farbig, vielfältig, aber auch empfindlich. Die mütterlichen Bakterienstämme werden bei der Vaginalgeburt an das Kind weitergegeben. Durch die Muttermilch wird zudem das Immunsystem der Neugeborenen mit gesundheitsfördernden Bakterien wie den Bifidobakterien und Laktobazillen versorgt. Danach leben wir mit mindestens 160 verschiedenen Darmbakterien in einer lebenslänglichen Symbiose. Im Laufe des Lebens verändert sich die Zusammensetzung dieser Bakteriengemeinschaft, je nach Lebensstil und Ernährung – wir entwickeln unsere ganz individuelle Darmflora.

Probiotika: Schutzpanzer und Gesundheitspolizei

Eine gesunde Darmflora erkennt man an einem fast geruchlosen, gut geformten Stuhlgang. Alkohol, Antibiotika, Schmerzmittel und Entzündungshemmer, Stress und eine zuckerreiche Ernährung können unsere Darmflora schädigen. Schützen kann man seine Darmflora mit Probiotika in Form von Milchsäurebakterien oder Hefen. Es gibt verschiedene Arten von Milchsäurebakterien, sogenannte Laktobazillen. Im Darm wandeln sie Milchzucker zu Milchsäure und weiteren sogenannten kurzkettigen Fettsäuren wie z.B. Essigsäure oder Buttersäure um. Letztere stinkt zwar nach ranziger Butter, Schweiss und Erbrochenem, ist jedoch wichtig, weil sie die Darmbewegung fördert. Zudem reguliert sie die Blut-Darm- Schranke, welche schädliche Stoffe filtert. Kurzkettige Fettsäuren können ausserdem den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen. Im Dickdarm helfen zudem sogenannte Bifidobakterien, unerwünschte Krankheitserreger abzuwehren, indem sie Mehrfachzucker in Essig- und Milchsäure abbauen. Zusammen mit der Buttersäure säuern sie den Dickdarm an und schrecken so krankheitserregende Bakterien ab. Natürliche Probiotika-Spender sind Joghurt, Kefir, Buttermilch, Parmesan und Apfelessig, auch fermentierte Produkte wie Sauerkraut, Essiggurken oder Kimchi.

Präbiotika: Ballaststoffe als Bakterienfutter

Die probiotischen Darmbakterien benötigen als Nahrung unverdauliche Zuckermoleküle aus Ballaststoffen, sogenannte Präbiotika. Ballaststoffreiche Lebensmittel fördern also das Wachstum von gesundheitsfördernden Probiotika und helfen aktiv mit, die Darmflora aufzubauen. Sie regen die Verdauung an und stabilisieren den Zuckerstoffwechsel. Präbiotika sind zäh und überleben problemlos Speichelenzyme, Magensäure und Verdauungssäfte des Darmes. Reich an präbiotischen Ballaststoffen sind Erbsen, weisse Bohnen, Leinsamen, Flohsamen, Kürbis, Feigen, Bananen, Broccoli, Rosenkohl, Haferflocken und Vollkornprodukte. Besonders wertvolle Präbiotika-Spender sind Honig und Molke.

Darmflora: intelligentes Kommunikationszentrum

Unser Darm beherbergt 80 % unseres Immunsystems und ein komplexes Nervensystem. Neueste Forschungen haben aufgezeigt, dass die Darmflora mit dem Gehirn über den sogenannten Vagusnerv und Bakterienmetaboliten (Produkte aus Stoffwechselprozessen) wie die Buttersäure, Hormone und Immunbotenstoffe kommunizieren kann. Darmbakterien hemmen so die Überproduktion von Immunbotenstoffen, den Zytokinen. Diese können Angst, Depressionen und Allergien auslösen. Der Darm beeinflusst somit nicht nur unser Immunsystem, sondern auch unsere Nerven, Gefühle und unser Verhalten – wir sprechen nicht umsonst vom Bauchgefühl, haben Durchfall vor Prüfungen oder leiden an Verstopfung bei Stress.

Die Auswahl an Pro- und Präbiotika für den Aufbau der Darmflora ist gross. Claudia Weis, Pharma-Assistentin in der TopPharm Apotheke zum Erzberg in Horgen, erklärt, was es dabei zu beachten gilt.

Frau Weis, welche Probiotika-Präparate empfehlen Sie für den Aufbau der Darmflora?

Wichtig ist, dass das Präparat auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Es gibt eine Vielzahl von Darmbakterien, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. So gibt es beispielsweise Produkte, die als «Allrounder» eingesetzt werden können, um allgemein das Gleichgewicht der Darmflora zu fördern. Wenn jedoch bestimmte Symptome vorhanden sind, ist es sinnvoll, sich beraten zu lassen, um die Darmflora gezielt aufzubauen. Am besten enthält ein Produkt jeweils mehrere Bakterienstämme, die sorgfältig aufeinander abgestimmt sind und sich in ihrer Aufgabe ergänzen.

Wie lange sollten die Produkte eingenommen werden?

Die Einnahmedauer ist abhängig von der jeweiligen Problematik. Wenn Sie keine Symptome haben und Ihre Darmflora allgemein aufbauen möchten, ist eine Einnahme während 4–6 Wochen sinnvoll. Je nach Situation wird zur Vorbereitung eine Detox-Kur für den Darm gemacht, um den Abtransport von Giftstoffen zu fördern. Möchten Sie hingegen ein konkretes Problem behandeln, so sollte die Behandlungsdauer an das Andauern der Symptome angepasst werden. Pro Jahr mit Beschwerden sollte der Darmaufbau entsprechend einen Monat durchgeführt werden. Wenn Sie zum Beispiel seit zwei Jahren immer wieder verstärkt unter Blähungen leiden, sollte die Kur mindestens 2 Monate dauern. Geht es Ihnen mit dem Präparat deutlich besser, dürfen Sie es auch länger einnehmen.

Mit dem Alter nimmt die Anzahl der Darmbakterien, insbesondere der Laktobazillen, ab. Was können wir dagegen tun?

Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung unterstützt den Erhalt Ihrer Darmflora und insbesondere auch die Vielfalt der Bakterien. Nach Antibiotika-Kuren oder Durchfallerkrankungen sollten Sie Ihre Darmflora wiederaufbauen, auch wenn Sie keine aktiven Beschwerden mehr haben. Denn unsere Darmflora kann noch mehrere Monate danach aus dem Gleichgewicht sein. Bauen Sie diese hingegen wieder mit einem Präparat auf, kann die Darmflora schneller regenerieren und ist widerstandsfähiger.

Wie nützlich sind Joghurts, die Bifidobakterien enthalten, für unseren Darm?

Die Bakterien, welche dem Joghurt beigefügt werden, sind grundsätzlich positiv für unsere Darmflora. Lebensmittel wie z.B. Joghurt müssen frisch hergestellt werden, damit sie eine ausreichende Menge an probiotisch wirkenden Bakterien enthalten. Jedoch sind diese im Joghurt instabil. Wenn die Kühlkette also nur kurz unterbrochen wird – wie etwa auf dem Heimweg oder nur schon beim Einräumen ins Kühlregal im Supermarkt –, sind die Bifidobakterien meist bereits abgestorben. Somit erreichen sie auch unseren Darm nicht aktiv. Ob auch die toten Bakterienhüllen einen positiven Effekt haben, konnte bisher noch nicht bestätigt werden. Wenn Ihnen die Joghurt schmecken, so dürfen Sie diese auf jeden Fall weiter geniessen. Sie ersetzen jedoch keine Präparate für den Darmaufbau und sollten nicht als Behandlung angesehen werden.